Wenn Patienten vorzeitig die stationäre Behandlung abbrechen und entlassen werden möchten, sitzt der verantwortliche (Chef-)Arzt meist zwischen den Stühlen: Einerseits ist die weitere Behandlung medizinisch erforderlich und sinnvoll, andererseits muss er den Willen des Patienten – auch den unvernünftigen – beachten und darf ihn nicht gegen seinen Willen festhalten und behandeln. Der Patient kann aber eine selbstbestimmte Entscheidung nur dann treffen, wenn ihm die Folgen einer vorzeitigen Entlassung deutlich vor Augen geführt worden sind. Wie konkret die Aufklärung in diesem Fall zu erfolgen hat, hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Urteil vom 6. Juni 2012 – 5 U 28/10 – klargestellt. Auch auf die Abrechnung als vollstationäre Leistung kann die vorzeitige Entlassung des Patienten Auswirkungen haben.
Die Entscheidung des OLG Köln verdeutlicht, dass nicht nur die Risikoaufklärung vor der Behandlung hohen Anforderungen genügen muss, sondern auch die Sicherungsaufklärung im Anschluss an die Behandlung stets zuverlässig und umfänglich erfolgen muss, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Im Falle der vorzeitigen Entlassung aus der stationären Behandlung auf eigenen Wunsch des Patienten gegen ärztlichen Rat muss daher stets berücksichtigt werden, dass der Patient eine eigenverantwortliche Entscheidung nur dann treffen kann, wenn ihm die Tragweite seiner Entscheidung bewusst ist. Er ist daher umfassend und schonungslos über die im konkreten Einzelfall mit einer verfrühten Entlassung einhergehenden Risiken zu informieren. Wünscht der Patient in Kenntnis der Risiken seine Entlassung, sollte dies sowie die wesentlichen Einzelheiten des Aufklärungsgesprächs unbedingt in der Krankenakte dokumentiert werden. Um einem Haftungsrisiko auch vor Gericht standhalten zu können, ist entscheidend, dass die Sicherungsaufklärung detailliert dokumentiert wird und durch eine Gegenzeichnung durch den Patienten zusätzlich vor späteren Ansprüchen abgesichert wird.
Die vorzeitige Entlassung des Patienten auf eigenen Wunsch hat zudem in einigen Fällen die wirtschaftlich unerwünschte Folge, dass mit der frühzeitigen ungeplanten Entlassung die untere Grenzverweildauer unterschritten wird und daher nicht unerhebliche Vergütungsabschläge hinzunehmen sind. Letztlich erhöht sich damit bei der Entlassung auf eigenen Wunsch des Patienten das Haftungsrisiko für den behandelnden Arzt; gleichzeitig verringert sich in einigen Fällen die wirtschaftliche Rentabilität des Behandlungsfalles für den jeweiligen Krankenhausträger.
