Prof. Nerlich, Sie kommen gerade vom AAOS Annual Meeting in Las Vegas zurück – was bringen Sie mit?
Nerlich: Neben dem fachlichen Austausch mit den amerikanischen Kollegen haben wir die Kooperationsvereinbarungen mit der OTA und der ORS gemeinsam unterzeichnet, alles dokumentiert und die Ziele für die kommenden Jahre definiert.
Wie kam es zu dieser Kooperation und welches sind die Ziele?
Nerlich: Der Anlass von unserer Seite war, dass wir unseren Kongress mehr internationalisieren, also auch englischsprachig anbieten wollten. Dies natürlich mit einem Partner, der bei den nicht deutschsprechenden Orthopäden und Unfallchirurgen bekannt ist. Die OTA ist die bekannteste internationale Gruppierung und hat auch sehr viele europäische Mitglieder, die regelmäßig an den Treffen der Amerikaner teilnehmen.
Dies ist eine der wenigen Kooperationen, die die OTA in den letzten Jahren eingegangen ist …
Nerlich: Ja, einige Vereinigungen aus Europa und weltweit sind schon daran gescheitert. Der Präsident der OTA sagte dies mit dem schönen Satz „We are quite picky“. Dass die OTA mit uns eine Kooperation vereinbart hat, ist also auch eine gewisse Auszeichnung für die deutsche Orthopädie und Unfallchirurgie.
Die OTA wird auf dem DKOU 2015 eine internationale Session unterstützen.
Nerlich: Ja, wir haben gemeinsam mit unserem neuen Kooperationspartner OTA einen halben Kongresstag für eine internationale Session geplant. Etwa die Hälfte der Beiträge hierfür wird von der OTA bestückt, die andere Hälfte von der deutschen Seite oder auch von anderen europäischen Experten.
Was ist konkret geplant?
Nerlich: Mittlerweile haben Deutsche und Amerikaner gemeinsam Themen festgelegt, die alle betreffen, im Wesentlichen klassische Frakturen. Eine Sitzung behandelt das Thema „How do I get out of this jam - tipps & tricks in the treatment of proximal femur fractures“. Eine weitere Sitzung beleuchtet den Schwerpunkt „How do I get out of this jam - tipps & tricks in the treatment of proximal humerus fractures“. Es soll jedoch nicht nur um deren Behandlung gehen, sondern darum, wie man die Probleme bewältigt, die dabei immer mal wieder auftreten.
Im Zuge der Internationalisierung haben Sie auch eine Kooperation mit der Orthopaedic Research Society gestartet – was ist mit deren Vertretern auf dem DKOU geplant?
Nerlich: Die ORS wird mit vier Keynote-Speakern vertreten sein, die auf Vorschlag der ORS kommen und ausgewiesene Forscher sind. Céline Colnot spricht zum Thema Frakturheilung und Osteologie, Anthony Hollander und Scott Rodeo behandeln das Thema Regeneration von Knochen, Knorpel und Weichgewebe, darunter die Themen Stammzellen, PRP und Wachstumsfaktoren, und Robert Mauck ist Keynote-Speaker bei der Sitzung „Mechanobiologie“. Sie werden gemeinsam mit unserer DGOU-Sektion Grundlagenforschung die Sitzungen der Sektion unterstützen und gestalten. So konnten wir aus Amerika nicht nur die klinische Seite der Unfallchirurgie gewinnen, sondern auch die Grundlagenforschung in O und U adressieren.
Der diesjährige DKOU soll sich insgesamt ja besonders durch eine internationale Öffnung auszeichnen ... Zeigt sich dies bereits im Vergleich zu den Vorjahren?
Nerlich: Wir sind da schon sehr breit aufgestellt. Es wird ein ansprechendes, die gesamte Bandbreite der Orthopädie und Unfallchirurgie betreffendes internationales Programm. Insgesamt wurden in diesem Jahr über 250 englischsprachige Abstracts eingereicht. So viele hatten wir noch nie. Die Auswertung läuft noch, eingebunden sind auch Reviewer aus der ORS.
Im Gegenzug wird Deutschland im Oktober 2015 Gastland beim Annual Meeting der OTA in San Diego/Kalifornien sein …
Nerlich: Ja, die Amerikaner haben uns als Antwort gegeben, dass sie glücklich wären, Deutschland als Gastnation beim Annual Meeting der OTA begrüßen zu dürfen. Bei dieser großen Ehre haben wir natürlich gleich zugesagt.
Welche Themen sind Ihnen dabei besonders wichtig?
Nerlich: Unsere Delegation wird das deutsche Versorgungssystem in Orthopädie und Unfallchirurgie vorstellen und Fachvorträge halten. Wir werden natürlich speziell zeigen, wie sich das deutsche Traumasystem durch das TraumaRegister und das TraumaNetzwerk der DGU weiterentwickelt hat. Da haben wir schon die Nase vorn, was die flächendeckende Versorgung der ganzen Bundesrepublik anbelangt.
Welche weiteren konkreten Aktionen sind für die kommenden Jahre geplant?
Nerlich: Auch das ist im Vertrag schon angesprochen. Diese Kooperation ist keine Eintagsfliege. Wir haben zunächst für die nächsten drei Jahre festgelegt, dass wir uns regelmäßig austauschen und bei den Meetings der Amerikaner intensiver vertreten sein werden.
In welchen Fachgebieten von O und U können wir Ihrer Meinung nach von den amerikanischen Kollegen noch am meisten lernen? Und auf welchen Gebieten lernen die Amerikaner von uns?
Nerlich: Von den Amerikanern lernen können wir in Bereichen, wo sie superspezialisiert sind, beispielsweise bei manchen Gelenkoperationen, die sie in großer Stückzahl durchführen. Umgekehrt braucht sich die deutsche O und U aber in keinster Weise zu verstecken. Wir sind absolut auf Augenhöhe und in der Spitze insgesamt sogar breiter aufgestellt als die Amerikaner. In den USA gibt es absolute Spitzenuniversitäten und Experten, aber für die Größe des Landes insgesamt gesehen sind dies eigentlich nicht so viele Experten mehr im Vergleich zu Deutschland.
Prof. Nerlich, ich danke Ihnen für das Gespräch.
