Das Thema des diesjährigen Kongresses ist „Innovation in Trauma Care“. Um welche Innovationen wird es gehen?
Marzi: Innovationen gibt es auf den verschiedenen Stufen der Polytrauma-Versorgung: Präklinik, Schockraum, OP-Technik, Intensivmedizin, Ausbildung und Forschung. Im Vordergrund stehen Themen wie die „Trauma-induzierte Koagulopathie“, neue Definitionen des Polytraumas, die Vorbereitung auf Katastrophen-Einsätze sowie technische Fortschritte in der Diagnostik und in den unfallchirurgisch-orthopädischen Operationsverfahren – auch in der Sporttraumatologie.
Welches sind aus Ihrer Sicht die Highlights des Kongresses?
Marzi: Hervorragende Referenten aus der ganzen Welt, die die Unfallchirurgie in den letzten Jahrzehnten mit geprägt haben, werden Keynote-Vorträge und Vorlesungsreihen zur „WHO Global Alliance for the Care of the Injured (GACI)“ halten, ebenso zu Verfahren der „Damage Control Surgery“ (DCS) und der „Damage Control Orthopedics (DCO)“. Darüber hinaus gibt es Symposien zur Alters- und Sporttraumatologie, zu primärer und sekundärer Frakturversorgung sowie zu posttraumatischen Rekonstruktionsverfahren.
Beim Kongress sind über 50 wissenschaftliche Fachgesellschaften aus aller Welt vertreten. Wie spiegelt sich das im Kongressprogramm wider?
Marzi: Insgesamt werden 44 Lehrvortrags-Sessions und Gastsymposien, 35 freie Vortragssitzungen sowie 28 Postersitzungen stattfinden. Jede der beteiligten Gesellschaften hat alleine oder in Kombination Schwerpunktsymposien organisiert, die in sieben Sälen parallel abgehalten werden. Die Sitzungen werden einen echten internationalen Erfahrungsaustausch erlauben.
Die Experten diskutieren unter anderem vor dem Hintergrund der täglich weltweit über 3.000 Verkehrstoten ...
Ja, denn gegenwärtig sterben jährlich 1,3 Millionen Menschen an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Bis zum Jahr 2030 rechnet man mit zwei Millionen Verkehrstoten pro Jahr. Diese Dimension stellt Unfallchirurgen auf der ganzen Welt vor enorme Herausforderungen. Das Zusammentreffen dient somit unter anderem auch dem Ausbau eines Wissensnetzwerkes, um das nationale Know-how international nutzbar zu machen und auszubauen.
In diesem Jahr findet der ECTES-Kongress erstmals in Deutschland statt. Wie kam es dazu?
Marzi: Die ESTES ist 2007 aus einer Fusion der European Trauma Society (ETS) und der European Association for Trauma and Emergency Surgery (EATES) hervorgegangen. Bereits im Jahr 2000 hatte Professor Harald Tscherne vor dieser Fusion den 4. ETS-Kongress in Deutschland ausgerichtet. ESTES ist heute auf 1.000 individuelle Mitglieder und rund 10.000 institutionelle Mitglieder aus über 28 nationalen Gesellschaften angewachsen. Die DGU ist mit ihren rund 4.600 Mitgliedern die größte nationale Mitgliedsgesellschaft und richtet den diesjährigen Kongress aufgrund ihrer Bedeutung mit aus.
Bereits vor dem Kongress werden einige Kurse (PreCongress Courses) stattfinden? Wie ist der Zuspruch zu diesem Angebot?
Marzi: Der Zuspruch zu den etablierten Kursen wie ATLS, DSTC, ETC und zum Polytraumakurs, der sonst in Aachen stattfindet, ist bekanntermaßen sehr gut. Und die Nähe zum Kongress wird genutzt. Neue Formate, wie der modulare Ultraschallkurs der ESTES (MuSeC), finden zum dritten Mal statt und sind für die Schockraumdiagnostik eine ideale Vorbereitungsmöglichkeit.
Welche Aufgaben und Ziele hat die ESTES neben der Ausrichtung dieses Kongresses?
Marzi: ESTES versteht sich als die europäische unfallchirurgische Gesellschaft, die in den Sektionen Skeletales Trauma, Viszeraltrauma, Katastrophen- und Militärchirurgie sowie Notfallchirurgie europaweite Weiterbildung, Forschung und Standardisierung verfolgt. Obgleich in jedem Land die Verletzungen und chirurgischen Notfälle die gleichen sind, liegen überall unterschiedliche Strukturen vor. Daher ist es das Ziel, hier eine gemeinsame Qualität zu erreichen und diese weiter zu verbessern. Beispielsweise wird seit Jahren die Einrichtung eines Europäischen Traumaregisters – analog beispielsweise dem TraumaRegister DGU® – verfolgt.
Sie sind auch Mitherausgeber des „European Journal of Trauma and Emergency Surgery“. Welches sind denn zurzeit die europaweit am meisten diskutierten Themen?
Marzi: Am meisten diskutiert werden derzeit die Herausforderungen in der Alterstraumatologie, die Etablierung von Behandlungsstandards beim Polytrauma und die minimal-invasiven Verfahren in der Notfallchirurgie, um nur einige zu nennen.
Und wo wird der Kongress 2015 stattfinden?
Marzi: 2015 in Amsterdam und 2016 wahrscheinlich in Wien.
