Neben Themenkomplexen zu Bildgebung, Knorpeltherapie, konservativen Therapieverfahren, Platelet Rich Plasma (PRP) und operativen Pitfalls stand die derzeit laufende Fußball-WM im Fokus. „Es ist statistisch erwiesen, dass die Verletzungszahl bei Weltmeisterschaften immer höher ist“, sagte Dr. Raymond Best von der Sportklinik Stuttgart und Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart. Dafür nannte er einige Ursachen: „Die Motivation der Spieler ist größer, die Spielfrequenz kürzer und das Klima für die meisten Sportler anders als gewohnt. Außerdem ging für viele Spieler erst kürzlich eine lange Saison zuende.“
Generell unterscheidet sich die Behandlung eines Leistungssportlers von der eines durchschnittlichen Sportlers. Während einem Freizeitkicker nach Verletzung oder Überlastung oft eine monatelange Pause verordnet wird, kann ein Profifußballer bei ähnlicher Diagnose teilweise schon nach wenigen Tagen wieder auf dem Platz antreten. Dies hat mit dem Spannungsfeld zwischen medizinischen Erwägungen, den Zielen des Vereins, den Wünschen des Trainers und des Spielers selbst zu tun. „Oftmals überschreitet man als behandelnder Arzt im Spitzensport Grenzen, wo man im Normalfall konservativ behandelt hätte“, sagte GOTS-Präsident Prof. Dr. Victor Valderrabano. Der Arzt müsse deshalb „ein gutes Handling für konservatives Management“ mitbringen. Denn: „Der Arzt ist immer der Anwalt des Patienten und der Anwalt des Athleten.“
Verletzung des Kniegelenks als Ursache fürs Karriereende
Dass trotz einer bislang eher durch Praxis und klinische Erfahrung geprägten Tradition der orthopädisch-traumatologischen Betreuung von Sportlern wissenschaftliche Untersuchungen immer mehr an Bedeutung gewinnen, zeigte eine Session zum Themenkomplex Wissenschaft und Profifußball. Neben Spielverlaufsanalysen und Leistungsdiagnostik kamen auch Evaluationen von Verletzungen und deren Langzeitfolgen in den Blick.
Mit den Langzeitfolgen von Verletzungen im Profifußball beschäftigte sich beispielsweise eine Studie, die das FIFA Medical Centre of Excellence Regensburg auf Grundlage der Befragung von 120 ehemaligen Profifußballern in Deutschland durchgeführt hatte. Einerseits wurden Verletzungen aus ihrer Karriere retrospektiv abgefragt, andererseits der aktuelle Gesundheitsstatus ermittelt. Dabei zeigte sich, dass bei zwei Dritteln der Befragten Verletzungen oder andere medizinische Gründe ihrer Karriere ein Ende setzten. Und dies für fast 40 Prozent der Spieler abrupt und völlig überraschend. Die am häufigsten genannte Ursache war das Kniegelenk.
Nach dem Karriereende bereiteten Muskeln und Sprunggelenke, an denen sich die Spieler zu ihrer aktiven Zeit relativ häufig verletzt hatten, eher wenig Probleme. Jeder zweite klagte jedoch über Probleme mit dem Kniegelenk in Form von Schmerzen, Instabilität oder Bewegungsdefiziten. Rückenverletzungen spielten während der aktiven Zeit eine äußerst geringe Rolle.
Bei fast 70 Prozent wurde Arthrose, am häufigsten im Kniegelenk, diagnostiziert. Bei drei Vierteln aller ehemaligen Spieler wurden Operationen an den unteren Extremitäten durchgeführt oder bereits fest geplant. Rückblickend gaben die Spieler an, dass in ihrer aktiven Zeit Trainingskonzepte und medizinische Aufklärung hätten besser sein müssen. „Wir wissen, dass die medizinische Versorgung im Profifußball verbesserungswürdig und Teil einer strittigen Diskussion ist“, resümierte Dr. Werner Krutsch.
Frühestmöglich mit Prävention beginnen
Er forderte aber auch, frühestmöglich mit Prävention zu beginnen und vor allem im Jugendfußball die Erste-Hilfe-Versorgung zu verbessern. Gerade für junge Spieler im Profibereich sei zudem eine „adäquate Therapie entscheidend“ und nicht die schnellstmögliche Rückkehr auf den Platz. So sei es beispielsweise bei Meniskus- oder Knorpelverletzungen angeraten, ein Therapieverfahren zu wählen, dass es einem 20-Jährigen ermögliche, noch weitere zehn Jahre zu spielen und nicht ein Verfahren, das den Jungprofi in den folgenden drei Jahren an zwei Turnieren teilnehmen lässt, dann aber zum vorzeitigen Karriereende führt.
In der anschließenden Diskussion wurde einhellig darauf hingewiesen, dass bei den Spätschäden durch den Profifußball Hüftgelenksprobleme eine vielleicht noch wichtigere Rolle spielen als die Schädigungen des Kniegelenks. Aufgrund der anatomischen muskulären Voraussetzungen würde die Hüftgelenksproblematik bei Fußballern während ihrer aktiven Phase jedoch häufig „überspielt“ und mache sich nicht so bemerkbar wie Komplikationen im Kniegelenk.
Diese Auffassung wurde durch ein systematisches Review der Heidelbergerin Monika Lohkamp zur „Prävalenz von Arthrose in der Lendenwirbelsäule (LWS) und der unteren Extremität bei ehemaligen Fußballprofis“ bestärkt. Sie stellte eine Untersuchung vor, in der 14 Studien ausgewertet wurden, an denen insgesamt 1.500 Ex-Profis im Alter zwischen 40 bis 60 Jahren teilgenommen hatten. Durch die extrem große Heterogenität zwischen den Methoden, die in den einzelnen Studien angewendet wurden, erbrachte der Review insgesamt zwar wenig neue Erkenntnisse, denen hohe Evidenz zugesprochen werden könnte. Allerdings gab es eine Ausnahme – es wurde deutlich, dass Probleme im Hüftbereich bei den Ex-Profis eine große Rolle spielen und eine signifikant höhere Prävalenz als bei den in den Studien untersuchten Kontrollgruppen und auch bei der statistisch erfassten „normalen“ Bevölkerung besitzt.

