Neben dem Beschluss des Strafsenats befasste sich bereits der BGH in der Entscheidung vom 20.12.2007 – II ZR 144/07 mit den Voraussetzungen der Vertretervereinbarung und Abrechnung bei privatärztlichen Leistungen. Eine Entwicklung der Rechtsprechung von der Wirksamkeit des Inhaltes und des Abschlusses von Wahlleistungsvereinbarungen hin zu den Voraussetzungen einer wirksamen Abrechnung privatärztlicher Leistungen hänge damit zusammen, dass das Privileg der Durchführung und Abrechnung privatärztlicher Leistungen im Krankenhaus (Privatliquidationsrecht), heutzutage nur noch wenigen Chefärzten und Klinikdirektoren zugestanden werde. Die Situation habe sich dahingehend geändert, dass mit Chefärzten und Klinikdirektoren anstelle des Liquidationsrechts regelmäßig eine feste und eine variable Vergütung vereinbart werde. Bei der variablen Vergütung ist oftmals eine Beteiligung an den Einnahmen aus wahlärztlicher Tätigkeit vorgesehen. Beim Abschluss wahlärztlicher Leistungen und individueller Vertretervereinbarungen müsse dabei genau auf die Voraussetzungen geachtet werden.
Risiko „ständiger ärztlicher Vertreter“
Aktuelles Beispiel: In einem am Landgericht Aschaffenburg anhängigen Strafverfahren wird einem Chefarzt gewerbsmäßiger Betrug im Zusammenhang mit der Durchführung und Abrechnung privatärztlicher Leistungen vorgeworfen. In den Wahlleistungsvereinbarungen, die das Krankenhaus mit Patienten abgeschlossen habe, seien insgesamt sechs Oberärzte als ständige ärztliche Vertreter des Chefarztes im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 3 GOÄ angegeben. Die von den Vertretern durchgeführten und vom Chefarzt abgerechneten Leistungen seien mangels wirksamer Vertreterregelung unzulässig und unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 25.01.2012 strafbar. Das Gericht vertrete in diesem noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren die Auffassung, dass die in den Wahlarztvereinbarungen abgeschlossene Vertreterregelung unwirksam und demnach die fehlerhaft abgerechneten Behandlungsfälle als besonders schwerer Fall des Betruges einzustufen sei.
Im Kern gehe es darum, wie viele ständige ärztliche Vertreter im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 3 GOÄ einem liquidationsberechtigten Chefarzt in der Wahlleistungsvereinbarung zugeordnet werden dürfen. Nach insoweit einhelliger Auffassung in der juristischen Literatur ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 3 GOÄ die Beschränkung auf einen einzigen „ständigen ärztlichen Vertreter“. Auch die Bundesärztekammer habe in ihren Abrechnungsempfehlungen darauf abgestellt, dass die Benennung mehrerer ständiger ärztlicher Vertreter aufgrund der Schwerpunktbildung oder Arbeitsteilung einer Krankenhausfachabteilung zulässig sei.
Daher erscheine es nach wie vor gerechtfertigt, liquidationsberechtigten Chefärzten im Rahmen des Wahlleistungsvertrages unter Berücksichtigung vorstehender Voraussetzungen mehrere ständige ärztliche Vertreter zuzuordnen. Nur damit könne den strukturellen und organisatorischen Erfordernissen im Rahmen der Durchführung und Abrechnung privatärztlicher bzw. wahlärztlicher Leistungen ausreichend Rechnung getragen werden. Demnach können die vom ständigen ärztlichen Vertreter erbrachten Leistungen bei der privatärztlichen Behandlung eines Patienten auch entsprechend den Regularien der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom liquidationsberechtigten Arzt abgerechnet werden.
Risiko „individueller Vertreter“ bei vorhersehbarer Abwesenheit
Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere in seinem Urteil vom 20.12.2007 – III ZR 144/07 –, sind die Fragen der Vertretung des liquidationsberechtigten Arztes bei Durchführung wahlärztlicher Leistungen im Krankenhaus geklärt. Danach sei auch nach Auffassung des BGH die Vertretungsregelung in Wahlleistungsvereinbarungen bezüglich der unvorhersehbaren Verhinderung zulässig. Dasselbe gelte auch für die Vertretung im Falle der vorhersehbaren Verhinderung. Dazu müsse nach Auffassung des BGH allerdings eine besondere individuelle Stellvertretervereinbarung abgeschlossen werden. Diese setze voraus, dass der Patient rechtzeitig informiert und ihm eine Wahlmöglichkeit eingeräumt werde. Laut BGH müsse die Wahlleistungsvereinbarung schriftlich abgefasst werden.
Das Amtsgericht Hamburg hält in einem bisher wenig beachteten Urteil vom 31.07.2013 – 8a C 342/12 eine abgeschlossene individuelle Vertretervereinbarung für unwirksam. Es stellt die Individualität des Abschlusses der Vertretervereinbarung in Frage. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH im Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 143/12 – sei es ohne Belang, ob die vorbereitete Erklärung dabei Wahlmöglichkeiten aufzeige. Denn nach Auffassung des Gerichts habe es ohnehin keine Wahlmöglichkeit gegeben, da bereits beim Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung festgestanden habe, dass der liquidationsberechtigte Arzt die maßgebliche Operation ohnehin nicht werde durchführen können.
Die Frage der Individualität des Aushandelns der Vertreterregelung stehe daher zur Debatte. Für die Zukunft wäre es ratsam, in einem persönlichen Gespräch mit dem Patienten die im Einzelnen vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 20.12.2007 erforderlichen Voraussetzungen der Individualabsprache im Detail mündlich zu erörtern. Zudem müsse sich der Patient schriftlich damit einverstanden erklären, von einem namentlich ihm benannten Vertreter behandelt zu werden.
Konsequenzen in der Praxis
Im Rahmen der Privatliquidation sei daher sowohl beim Abschluss von Wahlleistungsvereinbarungen als auch bei dem Abschluss individueller Vertretervereinbarungen genau auf die Einhaltung der von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Voraussetzungen zu achten. Der Durchsetzung der Privatliquidationsansprüche steht dann nichts im Wege.
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