Jedes Jahr werden in Deutschland 1,5 Millionen Unfallopfer in Krankenhäuser eingeliefert – mehr als 35 000 von ihnen mit lebensbedrohlichen Verletzungen. Klinische Studien zeigen, dass die Heilung von Knochenbrüchen bei mehrfach verletzten Patienten verzögert ist. Bei ihnen ist das Risiko erhöht, dass ihre Knochen auch ein halbes Jahr nach dem Unfall noch nicht richtig zusammengewachsen sind. Die gezielte Therapie nach der klinischen Erstversorgung ist daher entscheidend für die schnelle Genesung des Patienten. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) zeichnet deshalb zwei Forschungs-Projekte, die den Behandlungserfolg künftig verbessern könnten, am 26. Oktober während des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) aus. Die Tagung findet vom 23. bis 26. September in Berlin unter dem Motto „Qualität, Ethik, Effizienz“ statt.
Die Forschungsergebnisse von Privatdozent Dr. med. Sebastian Lippross könnten langfristig die Therapie von offenen Knochenbrüchen, Erkrankungen von Gelenken und Sehnen sowie die Behandlung großer Knochendefekte durch Unfälle oder Tumoren verändern. Er hat neue Grundlagen für die Wirkung von Thrombozytenkonzentrat, dem sogenannten körpereigenem plättchenreichem Plasma (PRP), in der orthopädischen und unfallchirurgischen Anwendung erforscht. „Die Untersuchungen von Sebastian Lippross liefern mögliche Erklärungen für die schnellere Heilung von Sehnenentzündungen unter dem Einsatz von plättchenreichem Plasma, dessen positiver Einfluss auf das Zellwachstum bereits bekannt war. Er hat zudem die antibakterielle Wirkung von PRP bestätigt und damit eine Perspektive geschaffen, das Risiko von Infektionen bei offenen Frakturen künftig zu reduzieren“, erklärt Professor Dr. med. Christoph Josten, Kongresspräsident des DKOU 2012 und Präsident der DGU. Zudem habe Lippross durch das direkte Spritzen von plättchenreichem Plasma ins Gelenk ein neues Feld für den klinischen Einsatz von PRP bei entzündlichem Gelenkverschleiß eröffnet. Dafür erhält der Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel den mit 10 000 Euro dotierten bedeutenden „Hans-Liniger-Preis“ der DGU.
Für ihre Erkenntnisse zur verbesserten Knochenheilung bei Schwerverletzen erhält Professor Dr. med. Anita Ignatius den ebenfalls mit 10 000 Euro dotierten „Innovationspreis“ der DGU. Sie beschäftigte sich in ihren Studien mit Trauma-Patienten, also mehrfach verletzten Menschen. Nach bisherigen Beobachtungen ruft eine Verletzung des Brustkorbs zusätzliche entzündliche Reaktionen hervor. Die Knochenheilung im gesamten Körper wird dadurch nachhaltig verzögert. Diese Erkenntnis konnte die Direktorin des Instituts für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik am Universitätsklinikum Ulm in Experimenten erstmals bestätigen und gleichzeitig einen effektiven Therapieansatz finden. „Durch die Gabe eines Entzündungshemmstoffes unmittelbar nach dem Unfall kann jedoch der schädliche Effekt der Brustkorbverletzung auf die Knochenheilung positiv beeinflusst werden“, erklärt Josten. „Diese Ergebnisse könnten zu einer ganz neuen therapeutischen Strategie führen, um die verzögerte Knochenheilung bei schwerverletzen Patienten zu verhindern. Zudem könnte so das Risiko einer langwierigen Knochenheilung minimiert werden.
Orthopäden und Unfallchirurgen sind zuversichtlich, dass Patienten von den Forschungsprojekten der Preisträger bereits in naher Zukunft profitieren könnten.
Der Hans-Liniger-Preis wird jährlich auf dem DKOU von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) für besondere Leistungen auf den Gebieten Unfallheilkunde, Versicherungs-, Versorgungs- und Verkehrsmedizin oder deren Grenzgebieten verliehen und ist mit 10 000 Euro dotiert.
Der Innovationspreis wird jährlich von der Firma DePuy gestiftet und für Arbeiten vergeben, die Innovationen in der Unfallchirurgie zum Thema haben. Er ist mit 10.000 Euro dotiert und kann für diagnostische oder anwendungstechnische Ideen vergeben werden. Entscheidend ist der potenzielle klinische Impact der Innovation.
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